Meinungsfreiheit für Böhmermann

April 2019

Die Meinungsfreiheit ist ein schwieriges Ding. Wie alle Freiheiten hört sie da auf, wo die Freiheit der anderen beginnt, doch im Falle von Meinungen sind solche Grenzüberschreitungen schwer zu bestimmen. Wo endet mein Recht, meine Meinung zu sagen, wo beginnt das Recht des anderen, nicht gekränkt oder in seinen Rechten verletzt zu werden? Noch schwieriger wird es, wenn es um die Freiheit der Kunst geht, denn deren Werke erfordern oft genug eine Interpretation, und solche Interpretationen können voneinander abweichen, sich sogar widersprechen. So nennt dann der eine Kritik, was der andere Beleidigung nennt und vor Gericht bringen möchte.

Jan Böhmermanns satirische Text-Aktion gegen den türkischen Staatspräsidenten Erdogan aus dem Jahr 2016 war sicher nicht gedacht, um dessen Politik zu unterstützen und sein Image zu verbessern. Eher war das Gegenteil angestrebt. Darauf werden sich alle einigen können. Worüber es aber bislang keine Einigung gibt, das ist, ob Böhmermanns Mittel von unseren Gesetzen gedeckt werden oder nicht. Darf ich einen rassistischen und grob beleidigenden Text veröffentlichen, wenn ich vorher sage, dass man einen solchen Text nicht veröffentlichen dürfe? Schlage ich damit der Justiz ein faules Schnippchen, oder erobere ich so ein Stück zusätzliches Terrain für die Meinungsfreiheit?

Jetzt geht es darum, ob die Kanzlerin, die ja nun wahrlich kein Mensch ohne Einfluss ist, gerichtlichen Urteilen durch persönliche Meinungsäußerungen vorgreifen durfte.

Ich denke, sie durfte nicht. Die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst sind hohe, ja höchste Güter, sie sind die stärksten Bremsklötze für diktatorische Bestrebungen.

Natürlich muss eine Grenze zwischen Meinungsäußerung und Beleidigung gezogen werden. Doch das ist ausschließlich Sache der Justiz. Die mag damit, wie im Falle Böhmermann, ziemlich überfordert sein und es keiner Partei letztendlich recht machen. Aber gerade dieser Prozess des hin und her, des Lavierens, des Einerseits-Andererseits ist der korrekte Ausdruck einer Gesellschaft und einer Rechtsordnung, in der schwierige Fragen diskutiert und nicht durch Befehl von oben entschieden werden. Bleiben wir also ein Volk von Diskutanten und streiten wir uns um Worte, das mag gelegentlich ziemlich nervig sein, aber ein Staat, wie Präsident Erdogan ihn sich wünscht, ist nun wirklich keine Alternative.