Corona-Brief Nr. 21

Pandemiegewinner 3: Rebekka (Webdesignerin, alleinerziehende Mutter)

„Hi. Rebekka. Ich bin 32, ich arbeite halbtags in einer Agentur als Webdesignerin, ich hab einen Sohn, den Lukas, der ist 4, ich bin alleinerziehend, und jetzt bin ich in der Klappse.

Ja, ich weiß, das heißt anders. Klappse ist nicht wertschätzend, sondern total abwertend. Vor allem für die Leute, die in der Klappse drin sind. Aber ich sitze jetzt selbst in der Klappse, und wer drin sitzt, der kann die nennen, wie er will.

Damit wir uns richtig verstehen: Ich bin freiwillig hier. Die haben mich nicht abgeholt, weil ich Sachen aus dem Fenster geschmissen habe oder weil ich gedroht habe, Lukas was anzutun. Nein, das nun wirklich nicht. Ich hab mich selbst eingewiesen. Das ist kein Problem, man muss nur wissen, wie man’s macht. Und wie man’s macht, das steht natürlich im Netz. Es geht so: Man meldet sich an der Rezeption der Klappse, am besten mitten in der Nacht, und dann sagt man: „Wenn jetzt nicht einer kommt und auf mich aufpasst oder mir irgendwas gibt, dann tu ich mir was an.“ Man muss gar nicht in die Details gehen. Die Regel ist nämlich die: In der Klappse dürfen Sie niemanden wegschicken, der von sich sagt, er wäre selbstmordgefährdet. Was ja auch vollkommen richtig ist. Finde ich jedenfalls.

Ja, ich weiß. Sie haben jetzt einen Verdacht. (lacht) Sie denken: Die ist gar nicht selbstmordgefährdet, die behauptet das nur. Das denken Sie, weil ich jetzt so locker davon erzähle. Sie denken das, weil sie glauben, Selbstmordgefährdete würde man auf den ersten Blick erkennen. Die haben ganz wirre Haare und einen ganz irren Blick, und sie fuchteln die ganze Zeit mit den Händen, und sie reden nur vollkommen unzusammenhängendes Zeug. Wenn sie nicht schon auf dem Boden liegen und um sich schlagen. Oder sie sitzen stumpf in der Ecke, gucken gegen die Wand und kriegen vor lauter Depressionen den Mund nicht auf.

Ja, das ist eine sehr verbreitete Ansicht. Selbstmordgefährdung kann man einfacher erkennen als Masern. Klar. Schließlich haben sich alle darauf geeinigt, dass Leute, die Selbstmord begehen oder es wenigstens versuchen, ausnahmslos ballaballa sind. Und ballaballa ist noch offensichtlicher als rote Flecken im Gesicht. Selbstmord zu begehen oder nur dran zu denken, das ist eine Krankheit, basta, da muss man in Therapie, da kriegt man Medis und Puzzles und warme Milch, und dann geht es hoffentlich wieder weg. So wie Masern eben. Jedenfalls hoffentlich. Darauf haben sich alle geeinigt, die Angehörigen, die Ärzte, die Therapeuten, die Krankenkassen und natürlich die Klappsen, die allesamt davon profitieren.

Aber jetzt passen Sie mal auf: Früher war das anders. Ich hab mich informiert. Wikipedia und so. Früher gab es den kranken Selbstmord und den Bilanzselbstmord. Und der Bilanzselbstmord wurde gesellschaftlich anerkannt, da dieses nicht gleich, der Betreffende ist ballaballa. Sie wissen nicht, was das ist, Bilanzselbstmord? Ich erkläre es Ihnen. Bilanzselbstmord, das ist, oder besser: war, wenn Leute sich ganz in Ruhe hingesetzt und drüber nachgedacht hatten, ob es mit ihnen überhaupt weitergehen konnte. Und sollte. Sie hatten irgendwas verbrochen, und alle Welt zeigte mit Fingern auf sie, was sie nicht ertragen konnten und was keiner hätte ertragen können. Oder sie hatten ihr ganzes Geld verloren, was ja nun auch schwer zu ertragen ist. Wie auch immer. Diese Leute machten dann einen Strich unter ihr Leben, zählten alles zusammen, und wenn die Summe zu deutlich unter Null lag, dann schossen Sie sich eine Kugel in den Kopf oder gingen ins Wasser. Das war der Bilanzselbstmord, und dazu hieß es damals: „Traurig, traurig, aber auch sehr verständlich.“ Und keiner kam auf die Idee, zu sagen: „Ach, die armen kranken Menschen. Wären sie nur rechtzeitig zum Arzt gegangen.“

Aber der Bilanzselbstmord ist abgeschafft. Der gilt nicht mehr. Zum Glück, jedenfalls für mich. Denn seitdem der nicht mehr gilt, muss man sich um jeden kümmern, der sagt, er würde sich was antun, egal warum. Weil derjenige nämlich krank ist, egal wie tief er objektiv in der Scheiße steckt. Krank, basta, ein Fall fürs Gesundheitssystem.

Was ich Ihnen jetzt sage, dass dürfen Sie nicht weitersagen: Aber wenn ich mir vorgestern was angetan hätte, dann wäre das ein lupenreiner altmodischer Bilanzselbstmord gewesen. Strich unter das Leben, alles zusammengezählt, Ergebnis: fett im Minus. Und dann die Konsequenzen gezogen. Überdosis, Strick, Eisenbahnschienen. Gibt ja viele Möglichkeiten, wenn man es wirklich will.

Sie glauben mir nicht? Möchten Sie mal Einblick in meine Bilanz nehmen? Oder soll ich mal referieren? Mache ich gerne. Mit dem größten Vergnügen. Mein Leben krieg ich zwar nicht mehr auf die Reihe, aber die Bilanz, die kann ich Ihnen mit bestem Gewissen präsentieren. Ich weiß, das klingt verrückt. Ist es aber nicht. Kein Stück. Meine Bilanz ist miserabel, aber sauber geführt.

Also, erstmal: Ich bin alleinerziehend. Das ist Stress. Das ist Stress ohne Ende. 1440 Minuten hat der Tag, und jede dieser scheiß 1440 Minuten muss exakt geplant werden. Weil es nämlich keinen gibt, der wartet, wenn man zu spät kommt, oder der sagt: „Lass nur, ich mach schon“, wenn man irgendwas verpeilt hat, und erst recht keinen, der sagt: „Du siehst aber müde aus. Leg dich hin, ich mach das für dich.“ Gibt’s alles nicht.

Alleinerziehend mit so einem Kleinen, das ist wie im Zirkus, wo Leute über ein Seil gehen und dabei mit irgendwas jonglieren oder sich einen Kaffee machen oder mit ihrer Mutter telefonieren oder am besten alles gleichzeitig. So ist das. Alles genau aufeinander abgestimmt, und wenn irgendeine klitzekleine Bewegung falsch ist, irgendein Griff daneben geht – plumps – fällst du runter vom Seil. Und von wegen Netz! Da ist kein Netz. Du fällst einfach nur auf den Arsch. Und dann stehen auch noch Leute um dich rum, die dir so Sätze sagen wie:

„Frau Möller, ich kann das jetzt kein einziges Mal mehr tolerieren, dass Sie sich beim Abholen vom Lukas um mehr als 15 Minuten verspäten.“ Das ist die Kindergärtnerin, über die ich niemals ein böses Wort verlieren würde.

„Frau Möller, wir haben nun mal feste Arbeitszeiten, und wenn jeder, dessen Kind morgens hustet, nicht zur Arbeit kommt, dann müssten wir den Laden zumachen. Dafür haben sie doch Verständnis, oder?“ Das ist meine Chefin, eine sehr anständige Frau.

„Frau Möller, wir geben uns die allergrößte Mühe, unsere Termine so zu vergeben, dass keiner lange warten muss. Aber da müssen die Patienten auch mitspielen. Und wer mehr als 30 Minuten zu spät ist, der verliert seinen Termin.“ Das ist die nette Sprechstundenhilfe beim Kinderarzt.

Ich weiß, die haben es nicht auf mich abgesehen. Die machen nur ihren Job. Aber eine Hilfe sind die nicht. Keine Hilfe, wenn Lukas hustet oder wenn ich in einem blöden Stau stehe oder wenn ich irgendeine bescheuerte Kleinigkeit vergessen hab und noch mal durch die halbe Stadt muss. Echt keine Hilfe.

Ich weiß ja kaum noch, wie man das richtig ausspricht: Hilfe. Ich hör das Wort nicht mehr, und ich trau mich auch nicht mehr, es zu sagen.

Das fing an mit Sascha, das ist der Vater von Lukas, der war schon mal so gar keine Hilfe. Der hat bei Lukas’ Geburt eine Sinnkrise gekriegt. Und Leute mit Sinnkrise wissen einfach nicht mehr so richtig, wo man mal anpacken muss, wo man mal was alleine machen muss, wie man anderen unter die Arme greift. Ich will jetzt nicht sagen, dass es leichter wurde, als Sascha auszog. Aber ich hatte ehrlich gesagt auch nicht das Gefühl, dass es sehr viel schwerer wurde.

Und dann meine sogenannten besten Freundinnen, Sophie und Nora. Die haben auch Kinder. Und die sind nicht alleinerziehend. Nora arbeitet nicht mal. Aber glaub bloß keiner, dass Mütter, die einen Mann haben oder nicht arbeiten, sehr viel mehr Zeit hätten als alleinerziehende Mütter. Ich weiß nicht, warum das so ist. Ich denk mal, das ist ein ungelöstes physikalisches Rätsel. So eine Art Relativitätstheorie, nur schwieriger.  Jedenfalls ist mein Tag pickepacke voll, wenn ich nach der Arbeit drei Stunden Zeit für alles habe, und deren Tag ist auch pickepacke voll, wenn sie von morgens bis abends jede Menge Zeit für alles haben. Kann sein, dass deren Stunden irgendwie kürzer sind als meine, keine Ahnung, jedenfalls kann man anderen nicht so gut helfen, wenn man selbst keine Zeit hat. Ist nun mal so. Und darunter sollte die Freundschaft auch nicht leiden.

Zum Glück hat man ja noch Eltern. Obwohl das nicht so prickelnd ist, wenn man mit 29 nach Hause geht und sagt: „Mama, Papa, das mit dem Rebekka-kann-jetzt-alles-alleine hat nicht so hundertprozentig geklappt. Könntet ihr bitte jeden Dienstag- und Donnerstagnachmittag auf Lukas aufpassen, damit ich meinen Job behalten kann? Ja? Das wär echt toll von euch! Super! Vielen vielen Dank! Und außerdem hat der Lukas gerade Fieber und kann nicht in die Kita. Ich lass ihn gleich mal hier, mitsamt seinen Tabletten, alle zwei Stunden eine, und wenn er nach mir fragt, sagt ihm: Mami hat ihn ganz doll lieb.“

Das ist ein schwerer Gang. Ich hab’s natürlich trotzdem gemacht. Was blieb mir auch anderes übrig? Und ja, keine Frage, meine Eltern helfen mir sehr. Absolut. Aber ich muss für ihre Hilfe bezahlen. Nicht mit Geld, das nicht. Aber mit endlosen Vorträgen über alles Mögliche, die ich mir anhören muss.

Wissen Sie, ich war das Nesthäkchen zu Hause. Meine Eltern waren beide berufstätig, und mit uns Kindern ging das so eher hopplahopp. Aber jetzt sind sie beide in Rente und haben alle Zeit der Welt, um sich mit Lukas zu beschäftigen. Mein einer älterer Bruder ist ausgewandert, der andere lebt in Süddeutschland. Enkelkinder: nada. Also holen meine Eltern jetzt bei Lukas alles nach, was sie in ihrem Leben an Kindesbeziehung und moderner Pädagogik versäumt haben.

Und ich kann dazu nichts sagen. Nichts. Kein einziges Wort. Ich bin dermaßen darauf angewiesen, dass sie auf Lukas aufpassen, dass ich es mir nicht mit ihnen verderben darf. Also sitze ich da wie eine leicht unterbelichtete 14-jährige und höre mir alles an, was sie sich aus Zeitschriften und aus dem Internet zusammengelesen haben. „Ja, Mama“, sage ich. „Ja, Papa“. Und wenn wir dann im Wagen sind, Lukas und ich, dann möchte ich schreien, aber das darf ich natürlich nicht. Lukas würde das nicht verstehen. Übrigens ist er ziemlich gerne bei Opa und Oma.

Hab ich eigentlich schon von Geld gesprochen? Nein, wie denn auch. Man kann nicht von Sachen sprechen, die man nicht kennt. Tschuldigung, blöder Kalauer. Stimmt ja auch gar nicht. Was stimmt ist, dass es knapp ist. Sehr knapp, super knapp. Sascha und ich waren nicht verheiratet. Er zahlt, aber viel ist das nicht. Und eine halbe Stelle bringt erstaunlicherweise deutlich weniger als eine ganze. Mehr will ich dazu gar nicht sagen.

Ja, das war’s, im Großen und Ganzen. Und jetzt kommt meine Bilanz. Die Bilanz lautet, bis zu diesem Punkt hier: Minus. Dickes Minus. Alles funktioniert so gerade eben, meistens. Und wenn es nicht funktioniert, ist auch mal gerne die Hölle los. Aber! In anderthalb Jahren kommt Lukas in die Grundschule. Eine mit Übertagbetreuung, der Platz ist uns sicher. Das ist ein silbernes Plus am Horizont. Dann werde ich zwei freie Nachmittage pro Woche haben, und entweder erhöhe ich meine Stundenzahl oder ich mache Yoga oder, halten Sie sich fest, ich lerne jemanden kennen, der mich mag, trotz Lukas. Oder vielleicht sogar wegen Lukas. Diese Hoffnung hebt die Bilanz. Wenigstens bis rauf auf die Null. Auf die schwarze Null.

Aber dann kam Corona. 13. März. Freitag der 13. (lacht) Lockdown, und die Kita schließt. Absolute Katastrophe Teil 1. Gefolgt von Teil 2: Meine Eltern steigen aus der Betreuung aus, weil mein Vater Risikogruppe ist. Oder sich dafür hält. Hat bis Mitte fünfzig geraucht und hatte mal eine leichte Lungenembolie. Jetzt hat er eine schwere Panik und muss selbst betreut werden. Von meiner Mutter.

Und ich? Ich hab nur dagestanden und mich gefragt: Wie jetzt? Wie soll das jetzt gehen? Ich war nicht systemrelevant, für mich gab’s keine Ausnahme in der Kita, und meine Freundinnen hatten null Interesse daran, Kinderbetreuung zu machen, klar, wegen der Ansteckungsgefahr. Ich hätte Lukas mit zur Arbeit nehmen müssen. Aber noch bevor ich darüber nachdenken konnte, haben Sie unsere Agentur runtergefahren. Und weil ich vom Status her Freelancerin bin, war ich erst mal raus. Toll, da war das Betreuungsproblem gelöst, aber ich hatte keine Arbeit mehr. Und als ich dann dachte: Na gut, das geht jetzt einfach nicht anders, da ruft die Agentur an und sagt: Kommando zurück! Wir haben einen fetten Auftrag vom Gesundheitsministerium. Corona-Kampagne. Alle Mann wieder an Bord, aber nur fulltime. Wer nicht fulltime kann, bleibt draußen. Und ich denke: Auch okay, dann verdiene ich halt Kohle ohne Ende und kaufe mir dafür Betreuung für Lukas.

Aber der schöne Plan hat leider nicht funktioniert, jedenfalls nicht so richtig. Ich dachte anfangs, jetzt laufen doch ein paar Millionen Oberstufenschülerinnen rum, die nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen. Davon kann doch sicher eine auf Lukas aufpassen. War aber anders. Ich glaube, Schüler, die nicht mehr zur Schule gehen müssen, haben mehr zu tun, als wenn sie hin müssen. Es war das nackte Grauen. Immer, wenn ich eine hatte, hatte ich sie für zwei Tage, höchstens. Und während der zwei Tage rief sie dauernd an, ob ich nicht schon um vier kommen könnte oder ob sie Lukas zu irgendeiner Charlotte bringen könnte, wo ich ihn dann abholen sollte. Und ich hab immer brav mitgemacht. Was sollte ich auch anders tun? Die hatten mich doch in der Hand.

Drei Wochen ging das so, dann kam in der Agentur eine Rundmail an alle Mitarbeiter. Wegen der dramatisch veränderten Lage, bla, bla, bla – jedenfalls fusionieren wir mit einer anderen Agentur und ziehen auch gleich zu denen, Synergie-Effekte nutzen, Kosten reduzieren, in schwierigen Zeiten beweglich bleiben und so weiter. Ich dachte: Hölle! Du bist wieder raus. Aber dann ging’s am Ende nur darum, dass ich nicht zweimal am Tag eine halbe Stunde Fahrt zur Arbeit hatte, sondern zweimal am Tag anderthalb Stunden. Da kann man unter normalen Umständen vielleicht noch von Glück sagen, aber bei mir brach sofort die ganze wackelige Betreuungskiste zusammen. Und weil man bekanntlich immer dann, wenn man sowieso schon nicht gut drauf ist, noch eins drüber bekommt, rief meine Mutter an und sagt: „Ach, Rebecca, der Papa hat jetzt so eine Angst, sich anzustecken, der will nicht mehr, dass ich die Wohnung verlasse. Schau mal, wir haben immer so schön auf den Lukas aufgepasst. Jetzt kannst du dich mal revanchieren. Ich hab schon eine Liste gemacht. Einkaufen, Apotheke, Reinigung. Ist eine ganze Menge, aber das schaffst du schon. Danke dafür. Bist auch meine Allerliebste.“

Das war natürlich der Hammer. Aber ich sag Ihnen was: Ich hab das auch noch irgendwie hingekriegt, so mit Hängen und Würgen. Doch dann ist was passiert, und plötzlich war die schwarze Null weg, und stattdessen stand da eine fette, dicke, rote Zahl. Vor zwei Tagen war das, abends spät. Da fällt mir ein, dass ich die Blutdruckmedis für meinen Vater vergessen habe. Also suche ich die Adresse von der Bereitschaftsapotheke, fahr durch die halbe Stadt und steh an so einer Gegensprechanlage. Und der Apotheker am anderen Ende sagt: „Das Rezept haben Sie doch sicher schon länger. Die Bereitschaft ist nur für Notfälle.“ Und ich fange an zu bitten und zu betteln, nur das eine Mal, und mein Vater braucht die Medis, da kommen ein paar Typen vorbei, und einer sagt zu mir: „He Alte, zieh gefälligst ne Maske an, wenn du hier rumspuckst wie so’n Lama.“

Und dann war sie da, die fette, rote Zahl. Ich hab gar nicht rumgeschrien, ich war nicht mal richtig verzweifelt. Ich hab mir nur gesagt: So geht das nicht. So geht das nicht weiter. Und dann hab ich mich ins Auto gesetzt, bin zu der Klappse hier gefahren und hab meinen Spruch aufgesagt.

Das war übrigens nicht vorgestern. Ich korrigiere mich. Das ist schon länger her. Vier Tage, glaube ich. Könnten auch fünf sein. Die geben mir was, davon kann ich wahnsinnig gut schlafen. Und ich schlafe auch die meiste Zeit. Um Lukas soll ich mir keine Sorgen machen, haben sie mir gesagt. Der ist in so einer Art Kurzzeitbetreuung, und ich soll jetzt nur an mich denken.

Ich soll nur an mich denken!

Ich weiß, das ist so ein abgelutschter Wellness-Satz. Aber ehrlich: Ich weiß nicht, wann zuletzt jemand diesen Satz zu mir gesagt hat. Das ist Jahre her, viele Jahre. Und der Satz mag noch so abgelutscht sein, ich hör ihn einfach gerne. Das ist ein Satz, den kann ich nicht oft genug hören. Ja, und deshalb bleib ich auch noch ein bisschen hier. Ein paar Tage vielleicht, mehr nicht. Oder mal sehen.

Jedenfalls: Danke, Corona. (lacht) Ohne dich hätte ich es nicht bis hier geschafft.“