Wandertag zum Mahnmal

KK möchte Schulbesuche in NS-Gedenkstätten verbindlich machen
Juli 2019

Liebe Frau Kramp-Karrenbauer, Sie haben vollkommen Recht. Die beste Methode, Antisemitismus zu bekämpfen, ja, ihn von vornherein zu verhindern, ist die Aufklärung.

Deshalb gehört die Aufklärung über die Geschehnisse von 1933 bis 1945 in den Lehrplan jeder Schule, jeweils zugeschnitten auf das Alter und die Aufnahmefähigkeit der Schülerinnen und Schüler. Dazu stehen heute, anders als zu meinen Schulzeiten in den sechziger und siebziger Jahren, große Mengen an Material zur Verfügung. Für mich gab es damals zum Holocaust eine Seite im Geschichtsbuch der Oberstufe, heute trägt jeder Schüler Hunderte von seriösen Dokumentationen in seinem Smartphone mit sich herum.

Und um das mit aller Deutlichkeit zu sagen: Den immer wieder geforderten Schlussstrich unter die Debatte über unsere Vergangenheit kann, soll und darf es nicht geben. Es gehört zum absoluten Pflichtwissen eines jeden hier in Deutschland, dass wir das historische Erbe einer Menschheitskatastrophe zu tragen haben.

Aber um dies sinnvoll zu vermitteln, braucht man pädagogische Klugheit. Vor allem braucht es Lehrerinnen und Lehrer, die imstande sind, ein so schwieriges und belastendes Thema mit all seinen Konsequenzen erfolgreich zu vermitteln. Und dabei kann der Besuch einer Holocaust-Gedenkstätte durchaus sinnvoll sein. Doch wohl gemerkt! Er kann sinnvoll sein, er ist es aber nicht automatisch. Vielmehr kann er, wenn er bloß von weit oben herab verordnet wird, sogar das Gegenteil bewirken. Nicht selten hört man die Klagen derer, die solche Gedenkstätten pflegen und betreiben, Klagen über unangemessenes Verhalten gerade ihrer jüngeren Besucher.

Schulen sind, mögen sie auch unter staatlicher Aufsicht stehen, ziemlich selbstständige und eigenwillige Gebilde. Da gibt es oft genug automatische Reflexe gegen alles, was von außen angeordnet wird. Der Besuch in einer Holocaust-Gedenkstätte aber wird, wenn er nicht in den Unterricht eingebettet und gründlich vorbereitet worden ist, womöglich nur sehr geringen oder gar keinen pädagogischen Wert haben.

Ich kenne aus der Schulzeit meiner Söhne eine Vielzahl von gut vorbereiteten und begleiteten Aktionen zur Aufarbeitung unserer unseligen jüngeren Geschichte. Oftmals richtete sich das Interesse auf die Geschichte der unmittelbaren Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler. Immer kam es dabei auf die Fantasie und die Einsatzbereitschaft der Lehrkräfte an. Und je größer ihr Einsatz, ihr Einfallsreichtum und ihr pädagogisches Gespür war, desto stärker war die Wirkung. Ein bloß verordneter Besuch einer Holocaust-Gedenkstätte liefe dagegen meines Erachtens Gefahr, bloß ein ungeliebter und verbummelter Wandertag zu werden.