Corona-Brief Nr. 37

Interview mit einem Medizinstudenten (20.2.2021)

Sie haben sich im letzten Herbst mit Corona infiziert. Wissen Sie, bei welcher Gelegenheit?

Ich bin mir nicht ganz sicher. Vermutlich habe ich mich bei einem Mitbewohner in meiner WG angesteckt, der damals keine Symptome der Erkrankung zeigte.

Können Sie uns kurz den Verlauf der Erkrankung schildern?

Ich hatte das Pech, zusätzlich zur Sars-CoV-2 Infektion eine bakterielle Infektion der Atemwege zu bekommen. Deshalb wurde auch direkt mit einer Antibiotika-Therapie begonnen. Ich hatte anfangs sehr hohes Fieber. Das legte sich zwar nach etwa 3-4 Tagen, stieg dann aber für 5 weitere Tage wieder an.

Wie lange hat die Krankheitsphase im Ganzen gedauert?

Die akute Phase etwa 9-10 Tage. Ich habe jedoch danach an einer ausgeprägten sogenannten „postviralen Fatigue“ gelitten, die man auch als „Long-Covid“ bezeichnet. Das kann man sich vorstellen als einen Zustand absoluter körperlicher und geistiger Erschöpfung. Schon nach den kleinsten Tätigkeiten im Haushalt war ich so müde, als hätte ich einen ganzen Tag schwer körperlich gearbeitet. An anstrengende gedankliche Arbeit (zum Beispiel die Vorbereitung auf Examina) war überhaupt nicht zu denken. Dieser Zustand hat etwa noch 8 Wochen angehalten, nachdem die Primärsymptome abgeklungen waren.

Wie groß war ihre Sorge, der Verlauf der Krankheit könnte sich verschlimmern bzw. es könnten bleibende Schäden entstehen?

Sehr groß! Bisher hatte ich keine vergleichbar langen Krankheitszustände, dazu kam bei mir natürlich das Wissen um die potentielle Gefahr von Langzeitschäden.

Was haben Sie getan, um ihren Allgemeinzustand wieder zu verbessern?

Vor allem sportliche Betätigung. Long-Covid ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein zentralnervöses Leiden. Die generelle Empfehlung dafür lautet, den Körper durch Bewegung und sportliche Aktivität zu reaktivieren. Das hat sich auch als sehr effizient erwiesen; allerdings widerspricht es dem Bedürfnis der Patienten nach Ruhe und Rückzug. Da ich auch im Allgemeinen eher gelernt habe, mich bei Krankheit zu schonen, hat es mich einige Überwindung gekostet, es konsequent umzusetzen.

Waren sie nach der Krankheit noch in ärztlicher Behandlung?

Ja. Ich war beim Lungenarzt und beim Kardiologen, um Lungenfibrose und Herzmuskelentzündung auszuschließen. Das sollten alle Betroffenen tun, egal welchen Alters, um rechtzeitig gegen versteckte Langzeitfolgen angehen zu können.

Würden Sie heute sagen, dass Sie Ihr Risiko, ernsthaft zu erkranken, unterschätzt haben?

Was die unmittelbare Erkrankung an Covid-19 angeht, eher nicht. Die habe ich ja auch, trotz der zusätzlichen bakteriellen Infektion, ganz gut überstanden. Jede „normale“ Grippe hätte mich genauso umwerfen können. Das Long-Covid Syndrom habe ich allerdings vorher sehr wenig im Blick gehabt! Ich bin war sehr erleichtert, nachdem sich mein Zustand  nach 8-9 Wochen wieder normalisiert hat. Das war eine lange Zeit, und sie war sehr schwierig sowie psychisch belastend.

Wie schätzen sie überhaupt das Verhältnis von Menschen ihres Alters zur Pandemie ein?

Das ist schwer pauschal zu sagen. In meinem Freundeskreis verhalten sich viele sehr verantwortungsbewusst, auch die nicht angehenden Medizinerinnen und Mediziner. Aber nach dem, was ich den Medien entnehme, habe ich den Eindruck, dass es bei der jüngeren Generation eine höhere Tendenz zum Risikoverhalten gibt. Ich finde das allerdings erklärlich, schließlich wird permanent medial vermittelt, dass das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs für jüngere Menschen ganz erheblich geringer sei. Dazu kommt, dass junge Leute durch ihre Lebensführung erheblich mehr soziale Kontakte haben, die sich nicht so einfach herunterfahren lassen. Man kann zum Beispiel beim Ausbruch einer Pandemie nicht alle WGs auflösen.

Sie studieren an einem Universitätsklinikum. Welchen Eindruck haben Sie von Stand und Qualität der ärztlichen Versorgung innerhalb der Pandemie?

Ich bin sehr beeindruckt von den Intensivmedizinern, die sich so schnell an die komplizierten Bedingungen und den enormen Arbeitsdruck gewöhnt haben. Wir erfahren gerade ganz anschaulich, wie wichtig es ist, ein öffentliches Gesundheitssystem für Katastrophenfälle fit zu machen. Das ist eine große Anstrengung, aber es darf nicht dazu kommen, dass in der ärztlichen und pflegerischen Versorgung irgendwelche Unterschiede zwischen Leuten verschiedenen Alters, verschiedener Vorerkrankungen oder sozialer Herkunft gemacht werden. Dafür müssen Kapazitäten vorhanden sein, die über die einer pandemiefreien Zeit hinausgehen.

Worauf von all dem jetzt Verbotenen freuen Sie sich am meisten, sollte es einmal wieder erlaubt werden?

Auf die Fitnessstudios. Sport fehlt mir sehr, vor allem bei dem gezwungenermaßen hohen „Sitzanteil“ des Studiums